Transport Fever im Test

(Artikel)
Adrian Knapik, 04. Dezember 2016

Transport Fever im Test

Pferdekutsche oder Düsentriebwerk?

Transport Fever ist der Nachfolger von Train Fever – und wie der Namenswechsel schon vermuten lässt, kümmert sich der Neuling nicht mehr nur um Züge, sondern um alle möglichen Transportmittel. Es ist ein wenig wie eine Städte-Bausimulation, nur eben ohne den Stadtbau, dafür mit mehr Infrastruktur. Klingt zu wenig? Ihr werdet sehen.

Zeittechnisch gesehen beginnen wir im Jahre 1850 mit unserem Unterfangen, das größte Transport-Imperium der Welt zu schaffen. Man erlebt also die komplette technische Entwicklung von Zügen, Bussen und Flugzeugen hautnah mit, denn pünktlich mit dem Verstreichen der Zeit im Spiel öffnen sich durch die Erfindungen neue Tore für noch effizienteren Transport. Während ihr zu Beginn also mitunter noch pferdgetriebene Fahrzeuge auf die Straßen schickt, ersetzt ihr sie am Ende durch die modernsten Verbrennungsmotoren und Düsentriebwerke. So ein Bus mit Jet-Turbine wäre doch mal eine Idee, liebe Modder!

transportfever_1

Als Einführung in die Spielmechaniken bietet Transport Fever ein ordentlich umfangreiches Tutorial, was ich hier einmal lobend hervorheben möchte. Euch werden die grundlegenden Prinzipien mit einer derartigen Leichtigkeit erklärt, wie es bei einer solch komplexen Simulation selten der Fall ist. Dabei werdet ihr stets an der Hand geführt, dürft aber auch an ausreichend vielen Stellen selbst ausprobieren, damit es nicht zu langweilig wird.

Nach den optionalen Tutorialmissionen könnt ihr euch aussuchen, ob ihr die Kampagne spielt, oder gleich in das freie Spiel hoppst. Die Missionen teilen sich in die zwei Kontinente Amerika und Europa auf, auf welchen ihr historische Bauwerke errichten könnt. Aufgrund der Größe und der Wichtigkeit des Auftrags entstehen besondere Herausforderungen, die sich vom normalen Spielgeschehen abheben, weshalb es sich ausnahmsweise wirklich mal lohnt, in einem Strategiespiel die Missionen zu spielen!

transportfever_7

Neben dem großen Ziel, ein historisches Bauwerk zu errichten, könnt ihr in einer Mission auch mehrere Nebenaufträge erledigen. Aber Vorsicht: Verspekuliert ihr euch mit eurem Geld, ist die komplette Mission im Zweifel auch nach mehreren Stunden Planung und Bauphase einfach vorbei. Wenn ihr also ungestüm alle Nebenmissionen erledigen wollt, kann euch das auch euren finanziellen Kopf kosten. Gott sei Dank gibt es Autosave – aber den Punkt zu finden, an dem noch nicht alles im Arsch war, kostet auch Nerven.

Eingeleitet und begleitet werden die Missionen etwas dröge per Text-Box, aber immerhin wurde bei den Texten darauf geachtet, dass sie mit dem gewissen Witz um die Ecke kommen, damit man nicht im nächsten Moment schlafend mit der Stirn auf die Tastatur klatscht. Auch in der deutschen Übersetzung wurden die kleinen Witze und Pointen gekonnt übernommen, was öfters mal bei mir für Erheiterung in dem sonst so ernsten Spielgeschehen sorgt.

transportfever_3

Im freien Spiel könnt ihr dahingegen einfach von Anfang bis zum Ende alle Ären in einem Spiel durchziehen, was insgesamt gesehen eine wirklich coole Entwicklung im Spielverlauf darstellt. Während man zu Beginn noch mit Zeit- und Managementproblemen konfrontiert wird, kann man bei richtiger Planung im späteren Verlauf von den Vorteilen moderner Technik profitieren. Schnellere Bewegungsmöglichkeiten, mehr Transportkapazität und flexiblere Optionen bereichern den Werdegang als Transportmeister.

Das Hauptkonzept von Transport Fever liegt beim Erstellen und Planen von Linien – egal ob nun Bus, Straßenbahn, Zug, Schiff oder Flugzeug. Bei Buslinien müsst ihr besonders darauf achten, dass die Linie wichtige Knotenpunkte, wie die belebte Innenstadt, mit den weiter entfernten Industriestandorten verknüpft. Die Zuglinien eignen sich besonders für den weiten Gütertransport und sind aufgrund der komplexen, aber auch manchmal unnötig unhandlichen Schienenverlegung die wohl schwierigste Angelegenheit. Die Flugzeuge begleiten euch grob erst ab der zweiten Hälfte des Zeitverlaufes und helfen euch, große Passagiermengen schnell zu transportieren, um die überfüllten Züge zu entlasten.

transportfever_4

Das Transportsystem in Transport Fever setzt auf die gekonnte Verbindung all dieser Möglichkeiten. Denn wenn ihr einen Bahnhof am Rand der Stadt baut, diesen aber nicht mit Buslinien anbindet, hat er kaum bis wenig Anlauf von den Einwohnern der Stadt. Dies endet darin, dass der Bahnhof und die Züge ständig Miese machen und euch langsam das Geld aus der Tasche schwindet. Ist eine Buslinie aber so exorbitant lang, dass eine Fahrt zum Bahnhof Ewigkeiten dauert, hat das auch Auswirkungen auf die Anzahl der Fahrgäste. Generell gilt, dass an nahezu jeder Stelle immer noch etwas zu optimieren ist, damit ihr das perfekte Verkehrsnetz aufbaut. So wächst ein System, das zwar unheimlich komplex ist, aber dennoch sehr gut vom Spieler nachzuvollziehen ist, ohne sich durch tausende von Graphen quälen zu müssen.

Die Züge sind trotz der Erweiterung um weitere Verkehrsteilnehmer immer noch der Kern der Simulation. Man merkt, dass ihnen einfach das Hauptaugenmerk der Entwicklung galt – und dennoch läuft es noch nicht an allen Stellen rund. Die Schienenverlegung passiert im Grunde genommen automatisch. Ihr zieht eure gewünschte Strecke, und das Spiel krümmt die Schiene selbstständig und passt auch das Terrain dementsprechend an.

transportfever_6

Per Tastendruck kann man dann noch manuell nachhelfen, wenn einem das Resultat nicht gefällt. Dabei kann man mit einer Live-Anzeige mitverfolgen, wie viel die gewollte Strecke im provisorischen Zustand im Endeffekt kosten würde. Je mehr das Terrain angeglichen werden muss, je mehr Teile der Strecke in Tunneln oder über Brücken verlaufen, desto teurer wird die Angelegenheit. Gerade letztere beiden Punkte sollten eigentlich, wann immer es geht, aufgrund der Kosten vermieden werden.

Unnötig schwierig wird es dann, wenn sich mehrere Schienensysteme und damit auch mehrere Linien kreuzen oder gleichzeitig auf den gleichen Schienen verlaufen. Denn das zugrunde gelegte Signalsystem und die Wegpunkte benötigen wirklich eine sehr hohe Planungs- und Abstraktionskunst und verschlingen oft auch einfach Geld, weil man viel Ausprobieren muss. Generell verläuft nach der Platzierung der Signale und der Wegpunkte alles nämlich wieder vollautomatisch – will das System aber nicht so, wie ihr es euch gedacht habt, müsst ihr nachbessern. Eine manuelle Nachkonfiguration der Signale ist nicht möglich, was auch dazu führt, dass mehrere Züge sich gerne so auf einer Strecke verkeilen, dass ihr sie entweder mühselig entknoten oder in den extremsten Fällen sogar das Spiel neu laden müsst. Hier entsteht unnötiger Frust und Verzweiflung.

transportfever_5

Die dynamische Stadtentwicklung trägt auch ihren Teil zur Schwierigkeit der Planung bei Transport Fever bei. Denn da ihr ja rein gar nichts mit dem zukünftigen Ausbau eurer Städte und Dörfer zu tun habt, müsst ihr ständig darauf achten, dass ihr eure Verkehrssysteme an die wachsenden Strukturen anpasst. Sprich: mehr Fahrzeuge anschaffen, die Linien höher frequentieren, neue Bahnhöfe und Haltestellen errichten. Es kann aber auch passieren, dass sich der Aufbau so verändert, dass bestehende Systeme finanziell keinen Sinn mehr machen, sodass ihr Strecken komplett einstellen müsst. Euch wird also stets Aufmerksamkeit beim Planen abverlangt, was wirklich fordert und unglaublich viel Laune macht.

Wollt ihr dann mal Fahrzeuge auf eine andere Linie versetzen, springt euch plötzlich ein bedrohliches Datum in die Augen. Die Lebensdauer bestimmt die ungefähre Nutzungsdauer eurer Fahrzeuge, bis sie marode werden und ausgetauscht werden müssen. Ihr könnt euch also kein gigantisches Perpetuum Mobile bauen, das einmal aufgebaut als System perfekt funktioniert und auf alle Ewigkeiten läuft – ihr müsst auch dafür Sorge tragen, dass Busse, Züge und Flugzeuge rechtzeitig ausgetauscht werden, damit es nicht im puren Chaos endet. Transport Fever setzt voll darauf, dass der Spieler immerzu aufmerksam das Geschehen mitverfolgt, auch wenn er gerade mit Planung beschäftigt ist – und das führt dazu, dass ihr nur sehr wenige Momente habt, in denen ihr den Trubel mit weit herausgezoomter Kamera in Ruhe beobachten könnt.

transportfever_2

Den Langzeit-Spielspaß kann man nicht wirklich objektiv beurteilen. Denn auch wenn euch Transport Fever über weite Strecken überaus gut beschäftigt, müsst ihr als Spieler auch dazu bereit sein, bereits fertiggestellte Projekte komplett über den Haufen zu werfen. Wer mit so einem Spielkonzept nicht gut klarkommt und seine Bauprojekte lieber konsequent ausbaut, wird hier höchstwahrscheinlich keine langwährende Freude haben. Wenn ihr aber interessiert an der technischen Entwicklung von Verkehrssystemen seid und sowieso immer an vielen Stellschrauben drehen und justieren wollt, seid ihr hier genau richtig.

So hat sich Transport Fever von der jüngeren Fixierung auf Züge gelöst und sich zu einer der umfangreichsten, komplexesten, aber auch spaßigsten Verkehrssimulationen gemausert. Für Enthusiasten ist die Simulation eine großartige Bereicherung, für Skeptiker könnten einige unrunde Ecken und Kanten das fantastische Spielgefühl hier und da mal trüben. Zum Schluss noch mal erwähnt: auch hier gibt es wieder die Möglichkeit, das Spiel durch den Steam Workshop durch viele Fahrzeuge zu erweitern. Grandios! Adrian

Transport Fever wurde auf dem PC (Windows 10 64-bit, Intel i5 4670, 16 GB RAM, Radeon R9 270X) getestet. Ein Testmuster wurde uns von Astragon zur Verfügung gestellt.

Transport Fever

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

Kommentare

Bisher hat dieser Artikel keine Kommentare. Sei der erste, der einen Kommentar veröffentlicht!
Gast
19. April 2024 um 10:35 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

Gefällt dir unser Artikel?

Spiele des Artikels

RELEASE
08. November 2016
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

Ähnliche Artikel